RACE BOOT EINER NEUEN GENERATION: WIE VAN DEER-RED BULL SPORTS BEIM SKISCHUH DIE QUADRATUR DES KREISES GELANG

Was als geheime Mission begann, ist zur neuen Race Boot-Benchmark gereift: Den Coup mit dem Ski, der im ersten Weltcupwinter schon Rennen gewann, wiederholten die Chefentwickler von VAN DEER-Red Bull Sports beim Skischuh mit einer bahnbrechend neuen Konstruktionsphilosophie. Die Innovation gleicht der Quadratur des Kreises: Der neue Race Boot „RB02“ vereint Performance- und Absorptionseigenschaften auf eine Weise, von der nicht nur Henrik Kristoffersen, Timon Haugan, Fabian Ax Swartz und Aleix Aubert Serracanta profitieren, sondern demnächst alle Skifahrer.


© Jörg Mitter © Jörg Mitter

Was soll an einem Skischuh so besonders sein? Verständlich, so zu denken, denn auf den ersten Blick sieht tatsächlich vieles ziemlich gleich aus: Außenschuh, Innenschuh, Schale, Manschette, Schnallen, Abschlussband. Ein Skischuh ist ein Skischuh? Mitnichten. Wäre man im Sommer 2023 in diskreter Runde mit Marcel Hirscher, seinem Vater Ferdinand, Toni Giger, Hubert Immler und Gerhard Neumayr, zwei der weltweit anerkanntesten Skischuh-Koryphäen, gesessen, würde man darüber anders denken. Denn was damals in der VAN DEER-Red Bull Sports RaceBase in Annaberg an Weltcuperfahrung und ersten Skizzen aufs Papier kam, war die Grundlage für einen Innovationsschub beim Thema Skischuh, wie es ihn seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat.

EINE DISKRETE RUNDE UND EIN WEISSES BLATT PAPIER

Doch der Reihe nach. „Beim Ski-Material waren wir damals bereits auf hohem Performanceniveau und uns deshalb einig: Der nächste logische Schritt ist die Entwicklung eines eigenen Skischuhs, der als wichtigstes Verbindungselement zwischen Skifahrer und Piste optimal mit den von uns eingesetzten Komponenten Bindung, Bindungsplatte und Ski funktioniert. Der Skischuh ist ein sehr sensibler, vielfach unterschätzter Teil im Setup, was wir da vorhatten war also ein Pionierprojekt“, erinnert sich Toni Giger, COO bei VAN DEER-Red Bull Sports, an die Anfänge. Buchstäblich auf einem weißen Blatt Papier: „Genau wie bei der Ski-Entwicklung war der erste Schritt, die einzigartige Rennsport-Erfahrung Marcels und seines Vaters Ferdinand zu protokollieren und zu kategorisieren. Auf Basis dessen haben wir erste Skizzen angefertigt und diese in ein CAD-Modell umgewandelt. Die ersten Prototypen des bei VAN DEER-Red Bull Sports inhouse entwickelten und bei Branchen-Innovator Scarpa in Italien produzierten "RB02" kamen noch aus dem 3D-Drucker“, beschreibt Giger den Entstehungsprozess. Der im Übrigen, wie alles bei VAN DEER-Red Bull Sports, dem Hirscher-Credo gehorchte: „Wenn aus Perfektion Besessenheit wird, entstehen magische Dinge“. Toni Giger schätzt: „Circa 50 Optimierungsschleifen mit den CAD-Modellen werden wir gedreht haben.“

DER HEUREKA-MOMENT: PERFORMANCE MEETS COMFORT

Irgendwann in der akribischen Planung passiert bei VAN DEER-Red Bull Sports ein Heureka-Moment: „Allgemein gilt für Rennschuhe das Performance-Diktat. Das heißt, dass alles der Kraftübertragung untergeordnet wird. Bei unserer Konstruktionsphilosophie haben wir uns bewusst für einen neue Weg entschlossen: Der "RB02" ist entlang des Unterschenkels, Sprunggelenks und Fußes zoniert. Dort, wo die Kraftübertragung vom Skifahrer auf das Skimaterial und in weiterer Folge auf die Piste Priorität hat, ist der Schuh enger an der Körperkontur geführt. Andere Zonen dienen der verbesserten Schockabsorption, um die Reboundkräfte der Piste nicht ungemindert an den Körper des Skifahrers weiterzugeben. So erzielen wir mit unserem Schuh insgesamt eine viel differenziertere Kräfteverteilung und damit ein kontrolliertes Fahrverhalten“, erklärt Toni Giger die Quadratur des Kreises im Skischuhbau und geht auf die Details ein, die den Race Boot „RB02“ zur Benchmark machen.

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WENIGE ELEMENTE, EINE FÜLLE AN FUNKTIONALITÄTEN

Giger: „Die Grundelemente Schale und Manschette sind über zwei Kanting-Teile miteinander verbunden, über die die Schaftneigung regulierbar ist. Justiert man die Schaftneigung nach außen, steigt die Reaktivität bei der Schwungansteuerung, nach innen mindert man sie ab. Für Stabilität nach hinten haben wir eine verbindende Spezialkonstruktion, den sogenannten DEER-Boost, quasi eine Art Heckspoiler am Skischuh, der ebenfalls für unterschiedliche Verhältnisse anpassbar ist.“ Wenig bekannt ist die Doppelfunktion der sognannten Lifter, das sind die flachen Kunststoffelemente an der Skischuh-Sohle: Beim „RB02“ erfüllen sie nicht nur den Zweck des Grips beim Gehen über Schnee, sondern wirken durch die Materialwahl auch wie zusätzliche Stoßdämpfer. Fehlt in der Aufzählung nur noch der Powerstrap, jenes Kohlefaser-Band, das am Skischuhrand für den ultimativ kompakten Abschluss sorgt.

MARCEL HIRSCHER: „DER SKISCHUH IST EIN SERVERRAUM“

Alle Eigenschaften des neuen „RB02“ – Marcel Hirscher beschreibt den Skischuh als „Serverraum, in dem alle Datenleitungen beim Skifahren zusammenkommen“ – lassen sich nicht über Analogien erklären und bleiben für das Auge unsichtbar: Die spezielle Formel der Kunststoffzusammensetzung, beispielsweise, ist Betriebsgeheimnis. Was sie bewirkt? Toni Giger: „Das der Schuh sowohl bei Minus- als auch bei Plus-Graden formstabil und eigenschaftstreu bleibt. Das ist die größte Herausforderung bei der Skischuh-Entwicklung.“ Und was man auch nicht sieht, ist der manuelle Arbeitsaufwand der Skischuh-Koryphäen Hubert Immler und Gerhard Neumayr, um das "RB02"-Modell auf die individuellen Fuß-Bedürfnisse von Henrik Kristoffersen und Co. „zu fitten“, wie es heißt. „Das ist im High End-Bereich üblich und erforderlich. Die Stärke unserer Skischuh-Philosophie ist aber, dass der Finetuning-Aufwand moderater ausfällt, als bei anderen Marken, was auch sehr stark unserer Innenschuh-Konzeption zu verdanken ist: Wir verwenden den Goldstandard an intuitiven Materialien, die eine intelligente, millimetergenaue Anpassung an den Fuß begünstigen und die Balance unseres Skischuhs zwischen Performance- und Dämpfungseigenschaften ideal unterstützen.“ Den großen Innovationswurf des „RB02“ bringt Toni Giger in ein einfaches Bild: „Ein echter Rennschuh war ja bislang mit Schmerz verbunden. Die Rennerprobung in den vergangenen beiden Wintern hat gezeigt: Das muss nicht so sein. Wir haben eine neue Toebox mit mehr Raum für die Zehen konstruiert und gesehen, dass dieses kleine Plus an Komfort lockereres Skifahren unterstützt, ohne auf Kosten der Performance oder der Kontrolle zu gehen. Henrik Kristoffersen und Timon Haugan haben das bei ihren Slalomsiegen in Val d´Isere und Alta Badia zuletzt unter Beweis gestellt.“

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RACE BOOT "RB02": DAS ROLEMODEL FÜR DEN PRO BOOT FÜR ALLE

Ein Mehr an Komfort ist auch das Missing Link zwischen dem neuen Race Boot „RB02“ von VAN DEER-Red Bull Sports und dem bald auf den Markt kommenden PRO BOOT für Consumer. Toni Giger: „Den Grundprinzipien, denen wir bei unseren Skiern folgen, folgen wir natürlich auch beim Skischuh: Es gibt keinen Unterschied in der Qualität oder bei der Komponentenauswahl zwischen Rennlauf und Skifahren, wie wir es alle lieben. Bis eben auf ein kleines Plus an Komfort, dass wir über eine etwas weichere Materialvariante und ein wenig mehr Raum für den Fuß generieren. Ansonsten: kein Unterschied. Marcel Hirscher ist etwa bei seiner erfolgreichen Rückkehr in Sölden einen PRO BOOT gefahren und auch andere Athleten greifen mitunter darauf zurück.“
Abschlussfrage: Woran erkennt man als normaler Skifahrer, dass man den richtigen Skischuh ausgewählt hat? Toni Giger: „Am Fahrverhalten und am Komfort. Und Komfort ist, wenn man den Skischuh in der Früh zumacht und nach dem Skifahren erst wieder auf – und diese Erfahrung werden Skifahrer zukünftig mit unserem PRO BOOT machen.“

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