LEVI-LOVE: MARCEL HIRSCHERS TRAINING FÜR EINEN EINFACHEN HANG, DER SCHWIERIG IST

Die Magie des Hohen Nordens: 2070 Tage nach seinem letzten Rennen dort, kehrt Marcel Hirscher auf die Piste „Levi Black“ zurück. „Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit das letzte Mal“, sagt er und will alles an Eindrücken mitnehmen, was er kriegen kann. Die nächste Station auf einer Reise, die er sich selbst geschenkt hat – und auf der er nun vieles mit anderen Augen sieht.

© Christoph Oberschneider © Christoph Oberschneider

Sehr emotional: schöner als erhofft

antwortet Marcel Hirscher auf die Frage, wie sich seine erfolgreiche Rückkehr in Sölden (Platz 23, drittbeste Laufzeit im 2. Durchgang) in sein Herzensprojekt eingewoben  hat. Die Kollegen von früher zu treffen und nach fünf Jahren wieder zu erleben, wie es ist, sich am Limit zu bewegen, sei ein riesengroßes Geschenk für ihn gewesen.

Nach all den Aufregungen und Unsicherheiten im Vorfeld habe er direkt am Start dann eine neue Qualität erlebt: „Früher war diese Nervosität unerträglich. Diesmal habe ich gedacht: Worum geht´s hier eigentlich? Wir fahren alle Rot und Blau, jeder so schnell er kann – aber eigentlich geht´s um nix. Ein paar Dutzend Skirennläufer gehen ihrer Leidenschaft nach, ein paar Millionen Menschen haben daran Freude – davon wieder ein Teil sein zu dürfen, ist ein Privileg. Als Rennläufer ist dir Skifahren das Wichtigste. UND: Es gibt Kinder, Beziehung, Freunde, Gesundheit – das, was im Leben wirklich zählt. Inzwischen, das ist neu, sehe ich dieses große Bild und das macht aus dem Ganzen für mich etwas anderes.“ Aus diesem Grundgefühl kommt große Motivation, beschreibt Marcel Hirscher seine Wochen seit Sölden.

DIE MAGIE DES HOHEN NORDENS: „NEHME AN EINDRÜCKEN MIT, WAS ICH KRIEGEN KANN“

Nach Levi reise er im Wissen, dass es „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sein letztes Rennen dort sein wird“. Vor sechs Jahren war das anders. Als er 2018 seinen letzten von bislang drei Levi-Siegen feierte (mit 9 Hundertstelsekunden Vorsprung auf VAN DEER-Red Bull Sports Teamkollegen Henrik Kristoffersen), „wusste ich ja nicht, dass es für sechs Jahre mein vorübergehend letztes Rennen sein wird.“ Und nachdem Levi „nicht unbedingt auf meiner Urlaubs-To-Do-Liste für die nächsten Jahre steht, will ich an Eindrücken mitnehmen, was ich kriegen kann.“ Aus seiner Levi-Liebe macht Marcel kein Geheimnis: „Ein Skirennen 135 Kilometer nördlich des Polarkreises ist zu entlegen für Publikumsmassen. Ich persönlich finde, gerade das macht die Rennen dort so besonders: Die Natur, die Nordlichter, die Stille. Lappland ist nicht umsonst die Homebase von Santa Claus. Ich mag den familiären Charakter, die Art, wie uns Einheimische mit Rentieren, Wolfshunden, Iglus und ihrer traditionellen Bekleidung ihre Kultur näherbringen. Und was für ein schönes Symbol, dass Siegerinnen und Sieger Paten eines neugeborenen Rentiers sind.“ „Seine“ Rentiere hätte er am liebsten mit nachhause genommen, aber ihre Heimat ist ihre Heimat – also wird er „Ferdl“, „Leo“ und „Mr. Snow“ in ihrem Zuhause besuchen, wenn es sich zeitlich ausgeht.

BACK TO ZICKZACK: DAS SCHWIERIGE AN DER EINFACHEN PISTE „LEVI BLACK“

„Back to Zickzack“: Marcel Hirscher freut sich auf seine Rückkehr auf die Slalompiste „Levi Black“. Mit 180 Metern Höhenunterschied ist sie heuer wieder Teil der Weltcuptour und feiert zudem ihr 20. Jubiläum als Austragungsort. „Dieses Rennen macht den Weltcup kompletter! Dort schaut zwar alles so superleicht aus, aber gerade die einfachen Hänge sind die schwierigsten, um schnell Skizufahren.“

Die Qualität seiner Vorbereitung misst er nicht in Quantitäten: „Nach Levi reist nicht derselbe Athlet Marcel Hirscher an, der früher dorthin anreiste. Wir hatten ein paar großartige Trainingstage auf Weltcupbedingungen auf dem Kitzsteinhorn und auf der Reiteralm. Viel weniger Tore als früher, dafür bin ich überzeugt, dass ich nirgendwo hätte hochwertiger trainieren können. Wie Sölden ist auch Levi ein Gradmesser, wo ich sportlich nach der extrem langen Absenz stehe. Ich mache beim Material und beim Skifahren kontinuierlich kleine Fortschritte, damit bin ich zufrieden. Jetzt schaue ich, wie es im Slalom so klappt.“

LEVI-TRAINING IM „SKI-WOHNZIMMER“ – AUF SCHNEE VON GESTERN

Für Marcel Hirscher ist das alles Teil der Reise, die er sich selbst geschenkt hat – und auf der er vieles jetzt mit anderen Augen sieht. „Das Slalomtraining am Kitzsteinhorn: Da sind Kindheitserinnerungen wach geworden. Es ist unglaublich, wie sich der Gletscher in den Jahren verändert hat und beeindruckend, wie fortschrittlich die Verantwortlichen mit diesen Veränderungen umgehen“.

Marcel Hirscher's Levi-Vorbereitung auf der Reiteralm war einzigartig: „Ein Schneeband im Herbstwald ist auf den ersten Blick ein schräges Bild. Doch der Schnee von gestern ist die Zukunft für unseren Sport – Snowfarming und Upcyling haben sich enorm weiterentwickelt. Was im vergangenen Winter Piste war und ohnehin weggeschmolzen wäre, konnten meine Partner auf der Reiteralm zu 70 Prozent übersommern und wieder neu ausbringen. Und schon bin ich auf meinem Lieblingsplayground, auf dem ich Millionen von Schwüngen absolviert habe, Slalom gefahren. Sie haben sogar die für Levi typischen Wellen und Übergänge simuliert. Für die paar hochwertigen Trainingstage in meinem „Ski-Wohnzimmer“ bin ich allen sehr dankbar, die sie möglich gemacht haben.“

Am Freitag reist Marcel Hirscher nach Levi, für Samstag ist noch ein Schneetraining geplant.

© Christoph Oberschneider